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Evelyn

Gedanken zu Stress beim Hund


 

Eigentlich sollte mein Beitrag zu Stress in Hunden anders aussehen. Arten von Stress, Körpersprache, bla bla bla. Ist alles schon 100x gepostet worden. Während sich kreative Leere in meinem Kopf ausbreitet, fange ich an, über meine eigenen Erfahrungen mit Stress nachzudenken: Umzug von einem anderen Kontinent nach Deutschland. Freiwillig. Mit einem Jahr Vorbereitungszeit. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sollte kein Problem sein, oder? Die Realität sah anders aus. Der Kulturschock ist nicht in Worte zu fassen. Es hat über ein Jahr gedauert, bis ich mich körperlich besser fühlte und langsam in eine neue Routine fand.


Heute schaue ich auf Marley, meinen Pflegehund. Marley wurde verwahrlost, abgemagert und mit verfilztem Fell in einem rumänischen Waldstück gefunden. Das allein ist schon Stress genug.


Dann kam er in ein rumänisches Tierheim. Viele andere Hunde, Lärm, unbekannte Geräusche und Gerüche, fremde Menschen, die ihn anfassen. Nichts ist mehr vertraut. Nichts ist vorhersagbar. Noch mehr Stress.


Tierärztliche Untersuchung, Injektionen, Menschen, die ihn festhalten, Narkose. Sedierung macht schwindelig. Die Beine und Pfoten machen nicht das, was man will. Die Welt dreht sich. Der Magen rebelliert. Man fühlt sich verletzlich. Stress XL.


Reise nach Deutschland. Eingepfercht in eine Box, aus der man für 2 Tage nicht herauskommt. Sitzen in den eigenen Exkrementen. Alles tut weh. Man ist ausgeliefert, kann keine einzige Entscheidung über sein Leben selbst treffen. Totale Kapitulation. Trauma.


Pflegefamilie in Deutschland. Andere Hunde, anderes Futter, Wohnungsleben. Warum soll man plötzlich nicht mehr pinkeln, wenn man gerade muss? Vorsichtshalber mal gar nichts machen und gar nichts sagen und die Lage einschätzen. Man gewöhnt sich langsam an den neuen Rhythmus. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht.


Nach 6 Wochen in der Pflegefamilie, auf zur neuen Pflegestelle. Wieder wird alles Vertraute zurückgelassen. Neuer Mensch, neue tierische Mitbewohner, neue Gerüche, neuer Rhythmus, neue Regeln. Es sind 36 Grad und man hat schwarzes, dickes Fell. Physischer Stress kommt zum emotionalen Stress. Gar nichts ist kalkulierbar. Alles neu.


Für mich ist es unglaublich, dass Tiere nach solchen Erlebnissen überhaupt noch funktionieren. Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen benötigen jahrelange psychologische Therapie und Medikation, aber bei unseren Hunden erwarten wir den perfekten stubenreinen, gutmütigen, immer gut gelaunten Hausgenossen und Freund. Pharmazeutische Hilfe oder Futterergänzungsmittel, die den Hund in dieser schwierigen Phase unterstützen könnten, werden oft nicht einmal in Erwägung gezogen.


Was ich mit diesem Artikel sagen will:

Habt Geduld und Empathie mit eurem Tierschutzhund (und jedem Hund)!

Nehmt professionelle Hilfe in Anspruch, wenn nötig.

PTSD is a real thing.


Kurz gesagt: Hunde sind auch nur Menschen.


Mit dieser kleinen Anregung zum Nachdenken möchte ich diesen Beitrag beenden!

Bis bald,

Evelyn



 

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